Das Konzept: Der Hannover Ansatz

Das LiSS lehrt einen modernen und wissenschaftlich begründeten sexualmedizinischen und sexualtherapeutischen Ansatz, beruhend auf einem grundsätzlich bio-psycho-sozialen Verständnis von Gesundheit und Krankheit.

 

 

Die Kernelemente der neuen Sexualtherapie - der „Hannover-Ansatz“  

Im Hannover Ansatz werden die erlebnisorientierten Elemente der klassischen Sexualtherapie in den Rahmen integrativer Psychotherapie eingebettet. Die Forschungsergebnisse zur Emotionsfokussierten Psychotherapie nach Greenberg verdeutlichen hier die Notwendigkeit, Emotionen als Kompass für Bedürfnisse im Therapieprozess zu aktivieren, um diese darauf folgend modifizieren zu können. Mittlerweile liegen eine Reihe neurowissenschaftlicher Befunde vor, die dieses Vorgehen stützen und im therapeutischen Handeln beachtet werden sollten.  

 

1. Störungsorientiertes Vorgehen in einem störungsübergreifenden Rahmen

Diese Zweistrangigkeit moderner Therapieverfahren mit den beiden Achsen des störungsübergreifenden Therapiemantels sowie des störungsorientierten Vorgehens bei den einzelnen (sexuellen) Störungen ist das erste Kernmerkmal unseres Ansatzes. Die sexuelle Problematik ist hier gleichermaßen relevant wie die individuelle Geschichten der Patient:innen. Gerade bei Thematiken innerhalb einer Beziehung gilt der Grundsatz "das Paar ist der Patient". Behandelt werden nicht „sexuelle Störungen“, sondern Menschen mit sexuellen Störungen, Menschen mit einer individuellen Geschichte und ihren Perspektiven auf die Paargeschichte. Dies ist insbesondere auch bei allen physiologisch-somatischen wie auch z.B. chirurgischen und pharmakologischen Behandlungsoptionen zu berücksichtigen. Wir gehen störungsorientiert und nicht rein symptomzentriert vor. Ausgangspunkt im therapeutischen Prozess ist immer der sexuelle Leidensdruck.

 

2. Befähigung zur funktionalen Befriedigung von Grundbedürfnissen

 Jenseits aller Therapieschulen entsteht heute ein zunehmender Konsens, dass erfolgreiche Psychotherapieprozesse ohne substanzielle Veränderungen dysfunktionaler bzw. maladaptiver emotionaler Schemata nicht möglich sind.  Essenzielle Bedeutung in unserem Ansatz kommt der Frage zu, welche Schemata bei sexuellen Dysfunktionen hinsichtlich Verursachung und Aufrechterhaltung eine zentrale Rolle spielen und wie man diese verändern kann. Im Therapieprozess gilt es, zu Grunde liegende, unerfüllte bzw. frustrierte kindliche und erwachsene Bedürfnisse aufzudecken und die Patient:innen zu befähigen, diese funktional  zu befriedigen (Hartmann, 2016 S.33). Die Konsequenz solch frustrierter Grundbedürfnisse zeigt sich nicht selten in dysfunktionalen Versuchen zur Emotionsregulation und daraus resultierenden partnerschaftlichen Problemen (z.B. negativen Interaktionszyklen). Diese dysfunktionalen Strategien erschweren sexuelle Befriedigung und Zufriedenheit in der Beziehung.

 

 3. Erlebnisorientierung durch Prozesssteuerung 

"you have to feel it to heal it“ (Greenberg 2011)


Danach müssen diese - die sexuelle Störung aufrechterhaltenden - Schemata im Hier-und-Jetzt aktiviert sein,  um zugänglich und modifizierbar zu werden. Das erfordert zwingend ein erlebnis- bzw. emotionsorientiertes Vorgehen und eine entsprechende Prozesssteuerung - sowohl in den therapeutischen Sitzungen als auch in den Erfahrungsübungen, die die Patient:innen außerhalb der Sitzungen vollziehen. Hier greifen wir auch auf die wahrscheinlich wirkmächtigste Intervention, den Sensate Focus, zurück. 

 

Zusammenfassung: Die Essenz des Hannover Ansatzes

Unsere Methode ist eine Kombination eines störungsorientierten Vorgehens in einem störungsübergreifenden Rahmen der gleichermaßen die Bedürfnisse des Individuums wie auch partnerschaftliche Interaktionen in den Fokus nimmt. Durch Erfahrungsübungen sowohl in als auch zwischen den Sitzungen - ggfs. mit Einbezug physiotherapeutischer und pharmakologischer Optionen und anderer Hilfsmittel - sollen dysfunktionale Schemata aktiviert, verstehbar und modifizierbar gemacht werden. Neurobiologische Erkenntnisse zeigen, dass strukturelle, nachhaltige Veränderungen besonders dann erreicht werden können, wenn es gelingt, neben dem Verstehen auch konkrete emotionale Erfahrungen zu vermitteln.

 

Therapeutisches Hauptziel ist die befriedigende Selbstregulatiovon Emotionen und Bedürfnissen sowohl des Individuums als auch im Paar (wieder) zu unterstützen und zu entwickeln. Ziel ist ein ganzheitliches und erlebbares Verständnis, um welche Gefühle und Bedürfnisse es eigentlich geht und wie diese funktional befriedigt werden können.